Triest

Tag 1

Diesmal wurde es Triest. Die Stadt der vielen Winde, dem Hauch vom nostalgischen k&k, einer Multipackung gleich (eine Stadt, viel Geschichte) und nur eine Bahnfahrt entfernt.

Ausgestattet mit tiptop Reiseliteratur und einem Lunchpaket, das dem Volumen meiner Kleidungsstücke im Rucksack Konkurrenz macht, bin ich dann mal los. Auf in ein neues Abenteuer, wos wieder heißt: Leben, Lachen & Achterln.

Die erste Stunde Zugfahrt galt der motivierten Weiterbildung. Wieso ist Triest die Stadt des Kaffees (zig Kaffeehäuser und 3mal mehr Kaffeekonsum als im restlichen Italien) und wer ist diese sprichwörtlich umwerfende Bora (ein Wind). Und was kann man hier eigentlich unternehmen? Ich buch spontan eine Proseccowein-Tour mit Erkundung des Dörfchens Prosecco und einer Verkostung mit Sonnenuntergang über dem Meer.



Die zweite Stunde Zugfahrt: Der ÖBBler macht die erste Meldung: "Wir erreichen Semmering. Hier kommt in der nächsten Stunde kein brauchbarer Anschluss. Überlegen Sie sich also, ob Sie aussteigen!"



Die dritte Stunde Zugfahrt: Der ÖBBler macht Abteilbesuche in diesem antiken Zug und überbringt hiobsgleich: "Die Bremse ihres Waggons ist kaputt, bitte wechseln Sie in einen anderen Waggon." Das wars dann wohl. Nach Triest gibts nur noch einen 1.&2.Klasse Waggon (nach Ljublana noch 2weitere 2.Klasse), den Speisewagen haben sie in weiser Voraussicht außerplanmäßig gar nicht erst mitgenommen😅 Also kuscheln wir uns maskiert im Zugteil nach Ljubljana zusammen in Ermangelung freier Plätze der Holzklasse nach Triest und ich erwarte im freudigsten Hochgefühl die sechste Zug-Stunde, dann heißts wieder 'Umstieg innerhalb vom Zug, Richtung Triest.'


Die vierte Zugstunde: "Tschuldigens Herr Schaffner. Hängens wieder meinen Waggon an nach Triest oder bleibt das so?" (Der Babyelefant fehlt mir nicht nur im Schönbrunner Zoo.) - "Na, da kommt nix mehr. Steigen aber eh immer welche aus." Unbefriedigende Antwort. Und so kam es, dass ich mich in der ersten Klasse Triest näherte, zwischen Businessmenschen und bemühten Jungmüttern.


Die fünfte Stunde im Zug: Um die Mittagszeit gönn ich mir als Essensauftakt das Gourmet-Kapitel in meiner Lektüre "Lesereise Triest" von Susanne Schaber das mit einem wohl durchdachten triestinischen Sprichwort startet "Man isst niemals auf leeren Magen!", Sprich: man darf nie aufhören zu essen 😅 dann heißts: Hauptsache Fleisch, Zwetschenknödel gehen auch als Vorspeise, Kuchen aus dem Holzofen, nur keine Scheu vor Kalorien, sie sind es, die uns satt und glücklich machen, Sightseeing heißt auch Blick in die Töpfe...

Ich merke, ich hab die richtige Stadt für meinen viertägigen Urlaub gewählt 😎


Die restlichen Stunden gehen mühsam dahin, im halbstundentakt äußert das von Übelkeit geplagte Kind gegenüber den Schlecht-Zustand mit gefolgter Intonation - entweder vor Ort ins durchsichtige Plastiksackerl oder man hört herzreißendes Heulen durch den Waggon, schallend aus Richtung Klo.

Aber nach einer Ewigkeit, die sich in meinem Fall auf 9,5h beläuft, fährt der Zug endlich in Triest ein. Bei noch immer 31Grad. Wo bleibt die Bora? Hilfe und Halleluja!

Angekommen im Appartement, wo ich der einzige Gast bin, weil ich aus Versehen eine Privatherberge gebucht hab, wachelt mir die Dame mit dem Fieberthermometer entgegen. Ich wachl mit der Maske zurück. Sie kan gern Fiebermessen, aber ob das jetzt so aussagekräftig sei, wo ich vier Stockwerke mit Rucksack im heißen Stiegenhaus hinauf geschnauft bin. 😅 Wir zeigen uns wie brave Musterschüler, die Zeugnisse vergleichen, die Grünen Pässe. Sie winkt mich in die Wohnung und schaut mich an. Schaut auf den Gang hinaus. Ja kann das sein, reist du allein? Kommt da nicht noch wer? Also jetzt? Wenn nicht jetzt, dann später? Oder morgen? Oder nur zum Frühstück?

Ich schüttel lachend den Kopf. Sowas hat diese ältere Dame wohl noch nie erlebt. Eine alleinreisende Frau. Sie wirkt jetzt so, als würde sie sich innerlich schon auf die Suche nach einem Blind Breakfast-Date für mich machen. Es bleibt spannend😅 später drückt sie mir die für mich zusammengestellte Touristenmappe in die Hand, zeigt mir ihre Booking.com-Bewertung auf A4-Papier in Farbe gedruckt und in meinem Zimmer demonstrativ positioniert, direkt neben dem Wisch für die Tourismusabgaben. Dann geht die Hausführung weiter, sie zeigt mir meinen privaten schon feierliche für zwei Personen gedeckten Frühstückstisch in diesem Raum, der einem ehrwürdigen Museum gleicht und holt ihre Tochter zum Dolmetschen herbei. Es folgt ein Redeschwall.

Jetzt bin ich endgültig erledigt. Während ich aufs Bett falle, höre ich im Hintergrund nur noch das Geschirr geklapper, sie deckt wahrscheinlich den Tisch zur Hälfte ab.

Aber irgendwann knurrte der Magen. Essensmotiviert machte ich mich also auf, durch das antike Wohnzimmer mit "weil so alt bitte nicht darauf sitzen" Möbelschildern und einer Hall of schicke Bilderrahmen bis runter auf den Hauptplatz. Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang.

Umso länger ich hinschaute, umso kitschiger wurde er. Über den Hauptplatz Piazza dell' Unità d'Italia (der Größte europaweit, der eine offene Fläche Richtung Meer hat) hin zum Pier - Molo Audace, photo bombing von zig Pärchenfotos bis ganz nach vorn. Da war er nun, der Mond aperolorange und der Sonnenuntergang, der sogar heute lila und türkis im Angebot hatte.

Gedankenverloren saß ich da, als mich plötzlich ein deutsches Mädchen auf Englisch ansprach. Sie habe da ein Foto von mir gemacht, ob ich es haben möchte. Ich könnte ihr ja meine Mail-Adresse geben. Natürlich, meinen halbvollen Namen (also nur einer der drei Vornamen) in Form einer Mail-Adresse tipp ich lieber in alle Handys als meine Nummer 😅 

Fasziniert von diesem Kitsch saß ich da und vergaß meinen Hunger und die Welt.

Das Mädel (mit dem Beutel-Buckel) und der Sonnenuntergang
Das Mädel (mit dem Beutel-Buckel) und der Sonnenuntergang

Und irgendwann war es so spät, dass ein legitimes vor-20-Uhr-Abendessen nimmer möglich war. Auch gut, also Abendessen streichen und gleich Sprizz-time, morgen wird das Frühstück eh für zwei Personen ausfallen und wenn ich Glück hab, sitzt mir kein junger frisch gfangter Mann von der Gastgeberin gegenüber 😅

Bisserl Sightseeing und bisserl Abendausklang zwischen Einheimischen und Touristen, die v.a. aus Deutschland und den Niederlanden kommen.

In dem Antico Caffè Torinese ließ ich mich nieder. Der Name ist hier Programm, der Caffè-Gründer wollte damals nicht zu Österreich sondern zu Turin gehören. Jetzt sind sie bekannt für Kaffees, Cocktails und die Artdéco-Bar.

Wenn ich wirklich alle berühmten Caffès besuchen möchte, muss ich mich ranhalten. 10 sollten es sein, vielleicht trinke ich dann nur noch 'deca' (koffeinfrei) statt 'capo' (Espresso macchiato in Tasse) oder 'nero in bi' (Schwarzer im Glas). Von der hier ansässigen Kaffeerösterei Illy bis hin zum Caffè defli Specchi.


Morgen gehts dann rund mit Sightseeing bei Tag und einem lokalen Lokal-Augenschein 😁 Miramare und Prosecco folgen am Donnerstag. Aber schauen wir mal, was der Tag so bringt. :-)