Triest

Tag 2 in Triest

Nach einer Nacht, die auf Grund des hohen Lärmpegels der feiernden Menschenspezies "yolo" Heimatgefühle an meine Wiener Innenstadtwohnung aufkommen ließ, war ich eigentlich überraschend höchst motiviert, heute die Stadt bei 33Grad zu erkunden.

So sah das auch meine Grande Dame, meine Gadtgeberin. Für eine Stadterkundung muss gscheit gessn werden, also tischte sie alles auf, was essbar war in dieser Stadt und ich frühstückte herrschaftlich im meinem prestigio palazzo zwischen Gemälden von John Bail und Jean-Baptiste Camille Corot, China-Porzellan und Silbergedeck, Portraits & Accessoires der Schwiegermama, und antiken Standuhren und Wappenbildern.

Das herrschaftliche Brunchbuffet zum Sitzen angerichtet.
Das herrschaftliche Brunchbuffet zum Sitzen angerichtet.

Was ich denn heute mache, fragte die Grande Dame auf italienisch/englisch mit Unterstützung von Händen&Beinen. - Die Stadt anschauen, aber noch nichts konkretes.

Das war das Stichwort. Die Grande Dame verschwand und kehrte mit einem neuen Pack Touristenbroschüren wieder. Ich muss mir das Schloß San Giusto ansehen, very important! Dann bitte auch das Museum Revoltella, auch very important!! Und natürlich Miramare, very very important!!! Diese drei Sehenswürdigkeiten sind important für Triest.

Alles klar, dann mal los.

Memo an mich: nicht zu viele Fotos machen, sonst reicht der Akku nicht mehr für die Handytaschenlampe, die aber dringend nötig wäre bei späterer Heimkunft, da es in meinem palazzo kein Deckenlicht gibt und ich sonst über Kunst drüberstolper, die ich mein Leben lang nicht abzahlen könnt 😅

Ausgestattet mit allen möglichen Touristeninfos bin ich nach einer Nach-Frühstückspause dann los, Richtung Römisches Theater. In Triest gibt es so viel Geschichte herumliegen und -stehen, wenn man da mal nicht aufpasst, könnte man von antikem Steinen bis zu Statuen aller möglicher Herrscher verpassen.

Fest angestrengt alles mitzubekommen, lief ich natürlich geradewegs Unterschriftensammler in die Hände, dann kam ich auch noch drauf, dass ich das falsche Rechts gewählt hab und musste nochmals zurück. Nochmals dran vorbei. Irgendwie glaubten die mir nicht so recht, dass ich ihr italienisch nicht versteh und starteten den zweiten Versuch. Weil alle guten Dinge aber drei sind, würden sie es später nochmals probieren (und nochmals scheitern 😅)

Der Nachteil, eine junge Frau zu sein.


Römisches Theater besichtigt, ins Parkhaus geschummelt um mit dem Lift bis zur Burg und dem Forum Romanum bequem hinauzufahren und dort weiter besichtigt.  Der Lift war zwar schon gsteckt voll, aber für mich zogen die Herrschaften ihre Bierbäuchlein ein, damit die "Señorita" auch noch mitfahren kann. Der Vorteil, eine junge Frau zu sein. 😉 

Die Burg machte ich im Schnelldurchlauf: also einmal rein bis zur Kassaschlange, 10min anstehen, sich nicht vom Platz rühren und dann hald wieder umgedreht und raus. Spannend ist hier, dass bei allen Museen der Grüne Pass verlangt wird aber dafür nicht in der Gastronomie.

Von der Burg Giusto husch ich in den nächsten Schatten, den ich in einer Kirche finde. Damals beschlossen die Triester, dass sie gerne eine große Kirche hätten, also haben sie zwei zusammenstehende einfach zusammengebaut, von außen schaut das aus wie Kraut und Rüben aber es zählen ja die inneren Werte ;-)


Dann gings auf der "Straße" den Hügel wieder runter. Statt Pflastersteine haben sie längliche Steinplatten, die sich aber wegen der Witterung und den Baumwurzeln eventuell bisserl heben, also für alles, was kleiner als ein Traktorreifen ist, würd es heißen Sturzgefahr.

In der Mitte vom Hinabweg suchte ich dann wieder Abkühlung und fand sie in der Kirche Santa Maria Maggiore, die einzige Barockkirche in der Stadt, aber dafür hat sie gleich acht Altäre. Muss ja irgendwie mithalten können mit der Nachbarkirche Basilica di San Silvestro, das älteste Gebetshaus in Triest (12. Jhd.).

Mittlerweile ists schon fast 11Uhr mit 30Grad, Erfrischung muss her, ich verlasse den Kulturpfad und tauche ein in den Gourmetpfad. Hallo Caffè degli Specchi im Palazzo Stratti, hier bin ich!

Berühmt ist es nicht nur wegen der Lage direkt am Hauptplatz, sondern auch weil es eines der ältesten Caffès ist, es nach Wiener Tradition geführt wird, berühmte Leute ein- und ausgingen und das Palazzo eine für den Besitzer harte Geschichte hat: in Auftrag wurde es von Niccolò Stratti gegeben in 1839, der aber sich so verschuldete, dass das Gebäude nach kürzester Zeit an eine Versicherung übergeben musste.

Als ich auf das Caffè zusteuere, erkennt der Kellner schon von weitem meine Bedürfnisse und bringt mich zu einem wunderschönen schattigen Sitzplatz in der ersten Reihe. Mein Sprizz Specchi (Gespritzter mit Kirschgeschmack) kommt begleitet mit Chips im Weckeinmachglas, Erdnüssen und drei supersüßen Miniaturhapperl. Jetzt mal nix tun, nur genießen.

Es hilft nix, es wird immer heißer, nur nach einem Sprizz ist's einfacher zu ertragen 🤭

Die Stimme der Grande Dame im Ohr verflüchtige ich mich Richtung very important Museo Revoltella - Galleria d'arte moderna. Da gabs einen Herrn Baron Pasquale Revoltella (vielleicht bekannt, weil er Großfinanzier des Suezkanals war 😉), der sein Palazzo samt kostbarem Inventar gestiftet hat, welches zu einem sechsstöckigem Museum ausgebaut wurde.

Die Security beim Eingang checkt den Grünen Pass und die Temperatur meines Unterarms, geleitet mich zur Kassa und dann wieder zurück ins Foyer, wo er mir eine Einführung in alle Stockwerke gab. Danke, jetzt hätt ich eigentlich gleich wieder gehen können, aber weil es hier kühler ist, bleib ich bisserl und erhatsche alle Museumsräume und verirre mich bei der willkürlichen Bodenmarkierung. Am Ende des Besuchs kann ich sagen: die Klimaanlage war am 5.Stock am besten, die schattige Dachterrasse war mit Blick bis nach Grado auch unterhaltsam, genauso wie die Gucklöcher in der Wand, wo man wie mit einem versteckten Fernglas auf die Straße runtersehen konnte. Ein neugieriger Schlaufuchs war das, der Herr Baron.

So kunstbanausig war ich noch nie, das heut war ein Bilderschauen und ein 'ahja' und 'oho' musste ausreichen. Langsam meldete sich auch der Hunger. Heute wollt ich das Buffet von Pepi ausprobieren, das steht ja als traditionell in jedem Reiseführer. Als ich die Sleisekarte studierte, wusste ich, auch traditionell kann experimentell sein. Aber weil ich ja gwieft bin, bin ich ins Lokal, "bitte einen Sandwich to go" - da passt dann nämlich weder Rindsszunge noch Sauschädel, Stelze oder Schweinsohr rein 😁 dem war auch so. Ein Semmerl mit Rindfleisch, Senf und Kren wurde es - wie es die ausgedruckte Touristeninfo der Grand Dame prophezeite.

Darauf brauchte ich noch etwas Süßes, aber leider hatte das Caffè Tommaseo einfach so zu. Das Caffè Eppinger errettete mich aus dieser misslichen Lage, auch wenn die Kellnerin nicht so recht wusste, was ich unter einem "Kaffe, egal wie, Hauptsache kalt" verstehe. Als sie dann ihre Kreation brachte, fand ich das genauso spannend wie sie 😅

Ein "strudel" dazu - hier mit Äpfeln, Rosinen und Pinienkernen (und beim Eppinger aus dem Holzofen), weil das ja hier auch irgendwie eine Nationalspeise ist. Triest hat nicht wirklich eine eigene Küche entwickelt, dafür waren sie zu lang unter allen möglichen Herrschaftshäusern oder liegen zu nahe an Nachbarländern. Aber mir schmecken ja zum Glück Sachertorte, Strudel, Gulasch und Co 😁


Zurück gehts dann noch durch das jüdische Viertel und schnell zurück in die Unterkunft und ab unter die Dusche. Doch Moment, wo ist meine Bürste, wo ist mein Buch, wo sind meine Schuhe? Die Grand Dame hat für Ordnung gesorgt und alles irgendwo verstaut. Das wird bei der Abreise ein Spaß 😂

Gestärkt nach einem Powernap zog ich los, um die Welt zu erobern... Oder aber eigentlich nur, um nicht im Bett zu vasumpan. Und wieder kam ich gerade recht zum Sonnenuntergang, diesmal besuchte ich die zwei Mädchen aus Bronzeguss, die gerade Italienfahnen nähten am Pier. Anschließend einmal bis zum Leuchturm runterspaziert und dabei die Autokennzeichen gesichtet. Frage: ist überhaupt noch jemand in Niederösterreich? Den vielen Autos aus Ö nach zu schließen, ist hier in Triest gerade Niederösterreicher-Halligalli.


Hunger hab ich bei so einer Hitze noch immer nicht wirklich, aber eine Bar wäre nett. Im ersten Lokal warte ich anständig, bis ich zu einem Tisch geführt werde. Andere Touristen haben den gleichen Tisch ins Auge gefasst und stürmen los. Nichts mit Anstand und warten, hab das Spiel verloren. Also weiter. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, jeder will den Sommer genießen, die Schanigarten wachsen in der Mitte zusammen und dehnen sich amöbengleich auch nach links und rechts aus.


Als ich die Suche fast aufgeben möchte, entdecke ich in einem kleinen Hinterhofgässchen nette kleine Tische. Diesmal probier ich die andere Taktik und setz mich einfach an einen freien Tisch. Eine Viertelstunde vergeht, bis sich eine Kellnerin meiner erbarmt und mir die Karte bringt. Sie dachte, dass da noch jemand kommt. 'Aber jetzt, jetzt kommt schon noch wer, oder? So ganz allein? Echt jetzt?'

Meine Güte, hier liegt wohl noch viel Arbeit vor den Triestinerinnen!

Aber so recht glaubte sie mir noch immer nicht, dass ich etwas bestellen wollte und kam einfach nicht mehr wieder. Arrivederci! Irgendwann nach 20min bzw. nach 22uhr kam dann doch ein Kellner. Mittlerweile ist mir der aufgekommene Hunger auch wieder vergangen. Ich würde nur gerne die Weinverkostung nehmen. - Nein, also das geht eigentlich nicht. Wir sind ein Restaurant und keine Bar. - OK, kein Problem. Verstehe ich, dann zahl ich und suche mir eine Bar. - Aber wir könnten vielleicht eine Lösung finden... Augengezwinker seinerseits 😅


Und so bekam ich 1/16 Sekt zum Kosten ('tell me what you think about it') gefolgt von einem 1/8 fruchtigen Weißwein aus Udine. Als ich nachfrage, von wo der Wein ist und ob es ein 2020iger Jahrgang sei, wurde ich in seinen Augen in den Stand des Weinkennern erhoben. Als er dann auch noch erfragte, dass ich aus Ö sei, war für ihn alles klar 'weinkenner approved'.

Nach fast einer Stunde kam dann der nächste Wein, ein ungefilterter Wein aus Venezischem Anbaugebiet. Er schenkt mir ein 1/8 ein, ging davon, drehte um, kam zurück und stellte mir die Flasche auf den Tisch. Ich kann die restliche Flasche eigentlich auch gleich haben und schenkte mir das verblieben Achterl drauf 😅 


Nachdem der Kellner zur Sperrstunde dreimal fragte, ob ich denn wirklich alleine reise, wars mir dann zu viel mit dem Italo-Charme.  Zahlen bitte und weg war ich. Das Zuhause ward schneller gefunden als gedacht, wie mir google maps sagte, war mein Lokal quasi direkt unter meinem Schlafzimmerfenster. Na da konnte ich mich immerhin mal nicht verlaufen.